Was ist spirituelle Freiheit?
Von Keith Sherwood
Als man ihn zum Thema spirituelle Freiheit befragte, sagte Meher Baba, einer der anerkanntesten spirituellen Lehrer Indiens: „Alles Leben ist ein Bestreben, Freiheit von selbst-erschaffener Verstrickung zu erlangen. Es ist ein verzweifelter Kampf darum, jenes ungeschehen zu machen, was in Unwissen getan worden ist, und die angesammelte Last der Vergangenheit wegzuwerfen, um Befreiung von jenen Schuttablagerungen zu erlangen, die eine Reihe vorübergehender Erfolge und Fehler hinterlassen haben.“
Es mag vielleicht überraschen, dass diese Art von Freiheit nicht nur den Eingeweihten und Meistern des Ostens vorbehalten ist. Die Wahrheit ist, dass jeder, der sich nach spiritueller Freiheit sehnt und sich mit Integrität darum bemüht, Zugang dazu hat. Dies liegt an der interdimensionalen Natur jedes Menschen, die ihm den Zugriff auf all das Bewusstsein und all die lebensbejahende Energie ermöglicht, die man benötigt, um in jeder Lebensphase spirituell frei zu sein.
Dies bedeutet, dass spirituelle Freiheit dein natürlicher Zustand ist. Und nichts, was du selbst oder jemand anderes tut, kann dies ändern.
Leider kann spirituelle Freiheit jedoch blockiert und unterdrückt werden, und zwar durch die gesellschaftliche Konditionierung und die durch karmischen Ballast verursachten Anhaftungen an die Welt. Wie es kommt, dass spirituelle Freiheit blockiert werden kann, und wie du damit anfangen kannst, dir wieder Zugang zu ihr zu verschaffen, wird untenstehend erklärt.
Karmischer Ballast
Karmischer Ballast ist jene dichte, selbst-beschränkende Energie, die man von Leben zu Leben in seinem feinstofflichen Energiefeld mit sich herumträgt. Alle Menschen kommen mit Schichten von karmischer Energie in ihrem Energiefeld auf die Welt. Und so gut wie alle Menschen haben im Laufe ihrer Lebensphasen durch die Integration von selbst-beschränkenden Energien in ihrem Energiefeld zusätzliche Schichten an karmischem Ballast ihrem Energiefeld hinzugefügt.
Du kennst diese Energien schon. Es sind die gleichen Energien, die, wenn du unter Stress stehst, Druck und Muskelschmerzen verursachen und die bei bewusster oder unbewusster Aktivierung Angst, Selbstzweifel und Verwirrung kreieren. Karmischer Ballast ist tatsächlich in der einen oder anderen Form die Hauptursache für menschliches Leid und auch für körperliche Krankheiten.
Um einen Eindruck zu bekommen, wie man von karmischem Ballast eingeschränkt wird und wie er die spirituelle Freiheit behindert, können wir das Wissen der Jainas des alten Indiens heranziehen. Die Anhänger des Jainismus sehen karmischen Ballast als eine Form von feinstofflicher Energien, die sich im menschlichen Energiefeld ansammeln und das Bewusstsein des Selbst verschleiern und alles, was daraus hervortritt.
Laut dieser alten Religion, die Wert legt auf Ästhetik, Gewaltlosigkeit und Respekt für das Leben, erzeugt karmischer Ballast unechte Emotionen, Gefühle und Empfindungen. Er führt den Menschen in die Irre, verschleiert die Wahrheit und erschafft selbstbeschränkende Muster. Und er schmälert die persönliche Kraft und behindert das Gewahrsein des Selbst, indem er den Zugang eines Menschen zu Shaktis lebensbejahender Energie einschränkt und den Zugang zur Glückseligkeit, die aus dem Universellen Bewusstsein hervortritt.
Die Wahrheit ist, dass karmischer Ballast eine Naturgewalt ist, die einen Menschen (aufgrund vergangener Handlungen) zu Objekten und Lebewesen hinzieht und ihn dann an diese Objekte und Lebenswesen anhaftet, zu denen er sich hingezogen fühlt.
Swami Sivananda, ein Meister des Yoga, der ausführlich über die selbstbeschränkenden Aspekte des karmischen Ballasts geschrieben hat, erklärte, dass „jeder Gedanke ein Gewicht, eine Gestalt, Größe, Form, Farbe, Qualität und Kraft hat. Gedanken sind wie Dinge … Bitterkeit und Süße … befinden sich im Verstand. Sie werden durch den Gedanken erschaffen.“
Die Auswirkungen des karmischen Ballasts
Für einen durch Anhaftungen an die Welt gefangenen und durch gesellschaftliche Konditionierung getäuschten Menschen mag karmischer Ballast erscheinen als hätte er sowohl positive wie auch negative Auswirkungen. Aber es ist wichtig zu erkennen, dass selbst etwas, das positiv erscheint, die spirituelle Freiheit trotzdem einschränken kann, weil es ihre lebensbejahendsten Eigenschaften – nämlich Vergnügen, Liebe, Intimität und Freude – behindern oder in zwielichtige Aktivitäten lenken kann.
Die Bedeutung von Vergnügen, Liebe, Intimität und Freude im Leben eines Menschen kann nicht genug hervorgehoben werden. Die Yoga Sutras lehren, dass immer wenn selbstbeschränkende Blockaden die spirituelle Freiheit eines Menschen begrenzen, negative Empfindungen, Gefühle, Emotionen und Gedanken an die Stelle von Vergnügen, Liebe, Intimität und Freude treten.
Das Kali Yuga
Auch wenn zu keiner Zeit die Menschen je völlig frei von den Beschränkungen waren, die karmischer Ballast erzeugt, ist jedoch in der jetzigen, als Kali Yuga bekannten Menschheitsepoche das kollektive, menschliche Energiefeld aus dem Gleichgewicht. Es gibt ein höheres Maß an Bösem als an Gutem und das Dunkle überwiegt das Lichte – oder wie es die Tantriker und Yogis gerne formulieren: Der Anteil an tamasischer Energie ist höher als der Anteil an weniger dichter, rajistischer und sattvischer Energie.
Tamasische Energie ist dicht und schwer und unterstützt ausschließlich trennende Eigenschaften, die sich auf die spirituelle Freiheit störend auswirken. Eifersucht ist eine solch Trennung stiftende Eigenschaft, genauso wie Unsicherheit, Arroganz und Selbstsabotage.
Eine andere Besonderheit von tamasischer Energie ist die Leichtigkeit, mit der sie von einer Person auf eine andere projiziert werden kann. Im Kali Yuga wird tamasische Energie oft von Menschen in Machtpositionen auf die von ihnen abhängigen Menschen projiziert. Das ist der Hauptgrund, warum patriarchale, männlich dominierte Gesellschaften, deren Grundwerte tamasisch sind, immer noch die heutige Welt beherrschen, und warum es so schwer ist, die gesellschaftliche Konditionierung, die ein Produkt der männlich dominierten Gesellschaften ist, zu überwinden.
Das Patriarchat
In der modernen Welt sind alle größeren christlichen und islamischen Kulturen patriarchalisch. Je patriarchalischer eine Kultur, desto schwieriger wird es für den Einzelnen sein, sich selbst zu vertrauen und sich jene Energie und jenes Bewusstsein zueigen zu machen, die zur spirituellen Freiheit führen.
Natürlich sind in den letzten Jahrzehnten Fortschritte gemacht worden und die persönliche Freiheit hat zugenommen, vor allem für Frauen. Aber wenn man hinter den Schleier schaut, sind die Auswirkungen der Programmierung, die die spirituelle Freiheit behindern, überall augenscheinlich – in den Menschen um einen herum, in den kulturellen Institutionen, in den Glaubenslehren und den religiösen Traditionen. Diese Konditionierung ist das Ergebnis eines patriarchalen Glaubenssystems, das danach strebt, zu diktieren, welche Art von Energie und Bewusstsein ein Mensch anzunehmen und mit anderen Menschen zu teilen hat.
Die gesellschaftliche Konditionierung
Kinder sind besonders empfänglich gegenüber den Auswirklungen der gesellschaftlichen Konditionierung und den Projektionen von tamasischer Energie durch Erwachsene.
Leider können die Projektionen tamasischer Energie – durch patriarchalische Gesellschaften bestärkt – sich besonders schädlich auf Kinder auswirken, wenn sie am verletzlichsten sind. Es gibt eine Menge Gründe dafür: Tamasische Energie stört das Verhältnis eines Mädchens oder Jungen zu seinen Eltern und behindert den Pranafluss im Energiefeld des Kindes – was es Kindern wiederum erschwert, eine authentische, lebensbejahende Identität auszubilden. Sie macht es den Kindern schwer, Vergnügen, Liebe und Intimität zu erfahren und zu teilen, und sie macht Kinder abhängig und von Grund auf unsicher.
Auch wenn die meisten Leute glauben, dass der Anpassungsprozess notwendig ist – die Projektion von tamasischer Energie während der kulturellen Anpassung ist es nicht. Genau jene Projektion von tamasischer Energie ist der Hauptgrund, warum so viele Leute, einschließlich der Kinder, weiterhin an den patriarchalischen Werten festhalten, die die spirituelle Freiheit abwerten. Diese patriarchalischen Werte umfassen das Beschuldigen von Opfern, die Romantisierung der Ego-Kultur, die Unterdrückung der Frauen, die Forderung, dass Leute ihre persönliche Verantwortung abgeben, und die ungerechte Behandlung von Unschuldigen und Wehrlosen.
Ein neues Paradigma
Die Auswirkungen des karmischen Ballasts und der gesellschaftlichen Konditionierung in patriarchalen Kulturen, die die spirituelle Freiheit unterdrücken, macht es notwendig, ein neues Paradigma zu erschaffen – genauso wie eine neue Kultur für den Einzelnen, für Beziehungen und Institutionen. Erst dann werden Menschen die innere Freude und den inneren Frieden, den sie suchen, zurückgewinnen und liebevolle Beziehungen eingehen, die auf gegenseitigem Vertrauen und Intimität beruhen. Sobald genügend Menschen die Auswirkungen ihres karmischen Ballasts und der gesellschaftlichen Konditionierung überwunden haben, wird sich eine neue Kultur ausbilden, deren Fundament aus Zusammenarbeit, geteilter Verantwortung und dem Gewahrsein des Selbst besteht. Sie wird die jetzige Weltordnung ersetzen, die sich auf religiöse, kulturelle und politische Institutionen stützt, die der spirituellen Freiheit gegenüber feindlich gesinnt sind.
Als Einzelner kannst du deinen Teil dazu beitragen, diesen Wandlungsprozess zu beschleunigen, indem du das Mudra der Spirituellen Freiheit durchführst, das am Ende dieses Artikels beschrieben wird.
Du kannst dein Leben ändern
Aber bevor du das Mudra machst, ist es wichtig zu erkennen, dass – ungeachtet deines jetzigen Zustands – du bedeutende Veränderungen in deinem Leben vornehmen kannst, die zu einem Mehr an spiritueller Freiheit führen. Äußere Veränderungen mögen dir zwar momentan als schwierig erscheinen aufgrund der Unterdrückung, die du als Altlast mit allen Menschen teilst; oder vielleicht wegen deiner wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Konditionierung oder weil du scheinbar in abhängigen Beziehungen gefangen bist oder weil du traumatisiert oder stigmatisiert wurdest von Leuten, die gewalttätig sind oder sich an die Werte einer Gesellschaft halten, die die spirituelle Freiheit beschneiden. Aber letztendlich sind die inneren Veränderungen, die du vornimmst, am wichtigsten und langlebigsten. Denn das Bewusstsein und die Energie, die zu spiritueller Freiheit führen, kommen nicht von außen, sondern von tief in dir drinnen.
Das heißt, dass, wenn du die inneren Veränderungen zuerst vornimmst, du auf jegliches Bewusstsein und jegliche Energie zugreifen kannst, die du brauchst, um spirituelle Freiheit zu erlangen. Um mit diesem Prozess zu beginnen, kannst du das Mudra für Spirituelle Freiheit durchführen.
Ein Mudra ist eine symbolische Geste, die man mit den Händen und Fingern ausführt oder auch in Verbindung mit der Zunge und den Füßen. Jedes Mudra hat eine spezielle Wirkungsweise auf das menschliche Energiefeld und die durch das Feld hindurch fließende Energie.
Die folgende Übung ist entwickelt worden, um dir zu helfen spirituelle Freiheit zu erleben. Indem du das Mudra für Spirituelle Freiheit jeden Tag zwei Wochen lang machst, wirst du deine Fähigkeit verbessern, Vergnügen, Liebe, Intimität und Freude zu erfahren, die spontan hervortreten, sobald du das Bewusstsein und die Energie freigesetzt hast, um spirituelle Freiheit zu erfahren.
Das Mudra für Spirituelle Freiheit
Um das Mudra für Spirituelle Freiheit durchzuführen, setze dich bequem und mit geradem Rücken hin. Dann schließe deine Augen und atme tief durch deine Nase für zwei oder drei Minuten bis du entspannt bist. Wenn du bereit bist, fortzufahren, öffne deine Augen und lege deinen linken Daumen auf den Akupunkturpunkt auf der Innenkante deines rechten Daumens, direkt unterhalb des Nagels. Führe die Fingerspitzen der Zeigefinger zusammen. Rolle dann die Mittelfinger in die Handinnenseite ein, so dass sich die Außenseiten der Mittelglieder vom ersten zum zweiten Gelenk berühren. Führe dann die Kuppen der Ringfinger zusammen, sodass sie sich bis zum obersten Gelenk berühren. Lege dann deinen linken, kleinen Finger über deinen rechten kleinen Finger, sodass das oberste Glied des linken Fingers auf dem des rechten kleinen Fingers zu liegen kommt (siehe Abbildung). Halte das Mudra für zehn Minuten, während du die Augen geschlossen hast und genieße die eintretende Veränderung. Dann zähle von eins bis fünf. Wenn du bei der Zahl fünf angekommen bist, löse das Mudra und öffne deine Augen. Du wirst dich hellwach fühlen, völlig entspannt und besser als zuvor.